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“Es ist eine Ehre für diese Stadt, diesen Verein
und die Bewohner Nürnbergs zu spielen.
Möge all dies immer bewahrt werden
und der großartige FC Nürnberg niemals untergehen.”
(Heiner Stuhlfauth)

Max “Maxl” Morlock

Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl

geboren am 11.5.1925; gestorben am 10.9.1994.

Von 1945 bis 1963 absolvierte Morlock 451 Spiele in der Oberliga Süd, in denen er 286 Treffer erzielte, was ihm mit weitem Abstand den Titel des Torschützenkönigs eintrug. Als einziger Spieler der Liga war er die ganzen 18 Jahre ihrer Existenz dabei. 1948 und 1961 erkämpfte er mit dem Club die deutsche Meisterschaft. In der Bundesligasaison 1963/64 spielte er weitere 21mal für den Club und schoss dabei 8 Tore. In seinen 26 Länderspielen machte er 21 Tore.   Er ist damit der Rekordnationalspieler des 1. FC Nürnberg. Insgesamt brachte es der in jeder Hinsicht als Rekordspieler zu bezeichnende Cluberer auf 900 Einsätze für den FCN. Obwohl er ein herausragender Spieler war, blieb der Max aber immer bescheiden.

Die Gemeinschaft ging Morlock über alles. Heute wäre es zum Beispiel unvorstellbar, dass ein Spieler einer ersten Mannschaft eines der führenden Vereine Deutschlands regelmäßig zur Weihnachtsfeier in Laientheaterstücken auf der Bühne steht. Das zeigt wohl deutlich den Unterschied zwischen Oberliga- und Bundesligazeiten.

Mit 1 Meter 70 wies er eine eher bescheidene Körpergröße auf, die ihn jedoch nicht daran hinderte, zu einem der gefährlichsten Kopfballspezialisten zu werden, der die größten Gegenspieler übersprang.

Er spielte einen technisch versierten, ehrlichen und fleißigen Fußball, der im Druck nach vorne zwar schön anzusehen, aber in seiner Rationalität immer aufs Effektive, aufs Mannschaftsdienliche ausgelegt war - schnörkellos und in der Regel ohne „südländische“ Verspieltheit. Morlock verkörperte den idealen Mittelfeldspieler, der es aufgrund seiner Ballgewandtheit, Laufstärke, Dynamik und Torgefährlichkeit mit Sicherheit auch im athletischen Fußball unserer Tage zu herausragenden persönlichen Erfolgen gebracht hätte. Er war ein spielender Kämpfertyp, der das Abwehren, das Einfädeln und das Vollenden par excellence beherrschte, ein Vorreiter des Fußballs modernster Prägung und eine Spielerpersönlichkeit, die aufmunterte und  mitreißen konnte, deren Wort bei allen Mannschaftskameraden akzeptiert wurde. Er versuchte nie mit großen Worten, sondern mit Taten zu überzeugen. Mit seinem nimmermüden Einsatz und seiner nie versagenden Willensstärke war er eine wichtige Drehscheibe im Teamwork und ein Garant dafür, dass, wenn die Clubmaschine mal nicht so schnell auf Touren kam, auch noch kurz vor Schluss ein Spiel herumgerissen werden konnte. Und das galt nicht nur für den Club. Sepp Herberger sagte einmal über ihn: „In kritischen Situationen war immer Max Morlock mein Mann. Auf ihn konnte ich mich stets verlassen. Er war ein Spieler, der alle mitgerissen hat.“

Morlock spielte halbrechts, brach aber immer wieder auf die Flügel aus und nutzte geschickt und trickreich den so gewonnenen Raum. Neben seinen großen Sturmqualitäten war er aber auch ein Spieler vom Typ des Ballschleppers und mannschaftsdienlichen Aufbauspielers mit großem Laufpensum. Er war einer der herausragendsten und typischsten Vertreter des „Clubstils“: ein vielseitiger, kampfstarker Allrounder, in dem taktische Disziplin, technische Qualitäten und läuferisch-konditionelle Möglichkeiten sich zusammenfinden. Er war zugleich Ballschlepper, Spielmacher und gefährlicher Torschütze. Nur beim Strafstoß bekam er meistens Zustände. Seine sonstige eiserne Ruhe war weg, wenn zehn-, zwanzig- oder noch mehr tausend Zuschauer auf ihn und den Ball schauten und dazu ganz still waren. Deshalb überließ er das Elfmeterschießen lieber anderen. Gleichzeitig war er auch eine der zentralen Übergangs- figuren, die die verschiedenen Club-Generationen miteinander verbinden.

Morlocks Erfolgsgeheimnisse waren seine Begabung, sein Fleiß, sein Temperament und seine sportliche Lebensführung. Es gibt über Jahrzehnte hinweg kein Training, dass er ohne zwingenden Grund versäumt hätte. Nikotin kannte er nur vom Hörensagen. Er war schon volljährig, als er sich dazu durchrang, alle heiligen Zeiten einmal aus besonderem Anlass vielleicht etwas anderes zu trinken als ein glas Wasser, und glaubwürdige Betreuer berichten, dass er auch nicht viel früher bereit war, dazwischen mal ein halbes Auge auf ein Mädchen zu werfen.

Abbildung entnommen aus Wich/Kelber: Der Meisterclub
Szene aus dem Oberligaspiel gegen Ulm 46 im September 1949,
das mit 4:0 gewonnen wurde

Nichts ist ihm in den Schoß gefallen, auch nicht die Fähigkeit, im Kopfballduell um einen Kopf größere Gegner zu überspringen. Hier allerdings war schon eine Begabung vorhanden, denn schon als Jugendlicher übersprang er 1 Meter 70. Er selber sagte über sich: „Ich kam auch nicht als Wunderkind zur Welt. Aber schon als Bub lernte ich bewusst mit beiden Füßen spielen und schießen. Das Ziel der Beidfüßigkeit ist für jeden, der es zielbewusst anstrebt, erreichbar. Ein Halbstürmer, der nicht mit beiden Beinen gleichmäßig auf Draht ist, kommt in die schlimmsten Verlegenheiten.“

Der Anfang bei Zabo Eintracht

Angefangen hatte der in Gleißhammer nahe beim Zabo geborene Maxl als Straßenfußballer in der Schloßstraße, in der er mit seinen Eltern wohnte. Zusammen mit seinen beiden Brüdern gehörte er zu einer Gruppe von Buben, die mit irgendwo erbettelten Tennisbällen auf Kellerfenster spielten. Mit 5 Jahren besuchte er zusammen mit seinem Vater zum ersten Mal das Stadion und teilte ihm mit: „Da drunten will ich amal spielen!“ Von da an lungerte er auch beim Training immer als „Ballnrussler“ hinter dem Tor des Nürnberger Keepers „Hauptmann“ Köhl herum.

Mit zehn Jahren bekam er von seinem Vater die ersten Fußballschuhe geschenkt. Jetzt wollte er natürlich auch in einer richtigen Mannschaft spielen. Doch er war ein Leichtgewicht, und solche Typen konnte der Club nicht einmal bei den Schülern gebrauchen. Er wagte es nicht, sich beim ruhmreichen Club anzumelden. Der erste Verein des 13jährigen war deshalb 1938 Eintracht Nürnberg, wo er linker Läufer spielte, bis ihn die Späher des FCN in die Jugend des Club holten.

Über den Tag, an dem sich entschied, dass der Maxl einem Verein beitreten solle, gibt es folgende Anekdote: Nach einer wilden Fußballschlacht auf der Schloßstraße war er wieder einmal zerschunden von oben bis unten nach Hause gekommen. Weil auch die Hose in Fetzen gegangen war, versuchte er sich unbemerkt ins Haus zu schleichen. Der Vater aber erwischte ihn, hob ihn hoch und stauchte ihn unsanft auf den Fußboden. “Des hörtmer etz auf!” schimpfte er los. Der Maxl aber konterte: “Nou moui halt zuern Verein.” Als der Vater nicht verstand, lieferte er die Begründung hinterher: “Wall dou der Platz net pflastert is!” Auf die Frage: “Wos kostn nou des?” platzte er heraus: “”20 Pfenning im Monat.” Daraufhin sprach der gestrenge Papa: “Nou schau blouß, dass’d inern Verein kummst. Du brauchst ja scho es Doppelte für Heftpflaster!”

Oft brauchten Maxls Schuhe eine Generalüberholung beim Schuster, der ihm häufig versicherte, sein bester Kunde zu sein. Zur Mutter meinte er nicht nur einmal: “Der Maxl, des werd amol a großer Foußballer, des siechi an seine Schouh!”

Nebenbei spielte Maxl freilich auch in der Mannschaft seiner Schule, und die erste Meisterschaft, die er errang, war die Schulmeisterschaft. Sein Trainer war kein geringerer als Heiner Stuhlfauth, der damals als Schulsportlehrer tätig war. Nach der Schule begann der Max eine Mechaniker- lehre bei der Firma „Noris-Zündlicht“, die er später auch erfolgreich abschloss.

Maxl kommt zum Club

Beim Endspiel um die Stadtjugendmeisterschaft im April 1940, das die Eintracht mit Morlock 4:2 gegen den Club gewann, fiel er auch Bumbas Schmidt auf. „Der muss unbedingt zu uns!“ bellte der den Club-Jugendleiter Luzner an, der ihm antwortete: „Der steht schon längst auf meiner Liste!“ Einen Tag später kreuzte Luzner bei Morlocks Eltern auf. Mit Engelszungen redete er auf sie ein. Ein so begabter Spieler gehöre in einen größeren Verein, dort habe er viel bessere Trainings- und Entwicklungmöglichkeiten. Dann malte er dem jungen Maxl aus, was ihn beim Club alles erwarte. Maxl konnte sich nicht entscheiden, doch der Vater redete ihm zu, und so gab er Luzner sein Wort: „Ich gehe zum Club, aber nur, wenn mein Verein mich freigibt.“ Die Eintracht dachte aber nicht im Traum daran, ihren besten Nachwuchsspieler so ohne weiteres gehen zu lassen. Entgegen kam ihnen dabei, dass man aufgrund des Krieges eine totale Wechselsperre verhängt hatte. Es gab nur die Hintertüre „Begabtenförderung“, die für Jungen bis 20 Jahre galt. Die Verhandlungen zogen sich hin. Schließlich hatte man ein Einsehen und gab Morlock frei. Als Gegenleistung musste die komplette 1. Mannschaft des Club ein Ablösespiel für ihn austragen. Der Reinerlös wanderte in die Eintracht-Kasse. Es war schon etwas Einmaliges: ein Ablösespiel für einen 15jährigen!

 

Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl
Maxl in seinem ersten Jahr beim Club


Abbildung entnommen aus Vereinszeitung des 1. FC Nürnberg, 2/1941
Die B-Jugend des 1. FCN im Jahr 1941
Ganz links Max Morlock.
Außer Roos (7. v.l.) und Prandl (2. v.r.)
spielte keiner der Abgebildeten jemals in der ersten Mannschaft.

Der neue Cluberer kam aus dem Staunen nicht heraus. Sein Training hatte bisher darin bestanden, dass die jungen Burschen aufs Tor schossen. In seiner neuen Mannschaft war er zwar der Kleinste, aber bei weitem nicht der Schwächste. In der Clubjugend bekam Maxl, der bisher Außenläufer gespielt hatte, auch eine neue Rolle zugeteilt. Luzner, der ihn für den geborenen Stürmer hielt, stellte ihn als Halbrechten auf. Schon damals bildete er wie all die Jahre danach mit seinem Busenfreund Helmut Herbolsheimer, dessen Spielideen er förmlich riechen konnte, in der Clubjugend einen traumhaften rechten Flügel. Am 11. Mai 1941 wurden sie mit der B-Jugend des Club Stadtmeister. Da die Mannschaft auch die Bezirksmeisterschaft gewann, kam Max zu seiner ersten großen Auswärtsfahrt zur deutschen Jugendmeisterschaft nach Breslau.

Abbildung entnommen aus Brömse: Max Morlock
Max (oben, ganz rechts) 1941 in einer Nürnberger Jugendauswahl.
Oben zweiter von links Adi Knoll, rechts unten Helmut Herbolsheimer
.

Bei einem Spiel gegen die Fürther lag der Clubnachwuchs einmal 0:2 hinten. Niedergeschlagen hockten die Buben zur Halbzeit in der Kabine. Da flog die Tür auf und herein kam Bumbas Schmidt. Er kaute wütend auf seiner Zigarre und holte tief Luft. Dann fing das Donnerwetter an: „Ihr Lausbuben! So einen Mist zusammenzuspielen! Und das mit dem Trikot, mit dem wir sechsmal deutscher Meister geworden sind! Ich werde beim Vorstand beantragen, dass ihr aus dem Verein ausgeschlossen werdet! Ihr habt noch eine Chance, wenn ihr den Fürthern den Kasten vollhaut! Dann können wir später noch einmal darüber reden!“ Am Ende hieß es 5:2 für den Club. Nach dem Spiel tauchte Bumbas zum zweiten Mal in der Kabinentür auf. Diesmal machte er es kurz: „Geht vor ins Clubhaus! Kaffee, Kuchen, Torte – geht alles auf meine Kosten!“

Als der Maxl gegen Kriegsende eines Tages nach einem Spiel im Zabo zum Clubhaus hinüberschlenderte, klopfte ihm ein kräftiger, großer Mann auf die Schultern, der erwähnte, dass er im Stadtteil St. Peter eine Metzgerei habe. Er erklärte dem jungen Clubstürmer, der wie die meisten Nürnberger in dieser Zeit oft Hunger leiden musste, er könne jeden Samstag um 3 Uhr bei ihm vorbeikommen und sich eine Vesper abholen. Dann gab er ihm seine Adresse: Metzgerei Strehl, Peterstraße 7. Jede Woche nahm Morlock nun ein Päckchen mit Fleisch und Wurst in Empfang. Dann unterhielt er sich mit dem Spender noch eine Weile über den Club. Heinz, der Sohn des Metzgers, rutschte derweil am Boden herum und spielte mit seiner Eisenbahn. Um Fußball kümmerte er sich noch nicht.

Mit 16 in der Ersten

Mit 16 stand Maxl 1941 bereits in der ersten Mannschaft gegen Wacker München. In den Kriegsjahren war es für Trainer Bumbas Schmidt nämlich oft sehr schwierig, überhaupt elf Spieler für die erste Mannschaft auf die Beine zu bringen. Am 30. November 1941 reichte das Kontingent endgültig nicht mehr aus, und weil sich Maxl als einer der besten Jugendspieler herauskristallisiert hatte, nahm ihn Schmidt mit offenen Armen auf. Darüber erzählte Morlock später: „Ich war gerade mal 16 Jahre alt, da sagte mir Bumbas Schmidt, ich solle in der Ersten spielen. Schon Tage zuvor war ich aufgeregt. Am Morgen des Spiels wachte ich schweißgebadet auf. Ich zog mich in der Jugendkabine um. Bumbas kam und redete mir wie einer kranken Kuh zu, band mir mein Schuhband besser und ging wieder. Da saß ich nun, ich neugebackener Mittelstürmer! Am liebsten wäre ich kurz vor Spielbeginn davongelaufen!“ Schmidt erklärte ihm, was er zu tun hatte: „Deine Aufgabe ist ganz einfach. Du spielst dein Spiel, so wie du es bisher in der Jugend gemacht hast!“ Sein Debüt gegen Wacker München verlief zufriedenstellend. Die Bälle, die er sich erlief oder erkämpfte, spielte er so schnell wie möglich wieder ab. Seine Augen suchten immer wieder Bumbas Schmidt. Wenn der „Max!“ rief und mit dem Daumen zeigte, lief er dorthin, wo ihn der Trainer haben wollte. Als die Mannschaften bei Halbzeit vom Platz gingen, tauchte Dr. Hans Kalb neben Morlock auf. Der weltberühmte Mittelläufer kannte Maxl, weil er sich nur selten ein Jugendspiel entgehen ließ, und klopfte ihm auf die Schulter: „Du hast nicht schlecht gespielt, aber du brauchst doch nicht immer gleich abzugeben. Mach mal was auf eigene Faust! Du kannst es doch!“ Morlock beherzigte den Rat und gab in der zweiten Halbzeit seinem Bewacher, dem stämmigen Nationalspieler Haringer, einige Male das Nachsehen. Nach dem Spiel erklärte Bumbas: „Recht war’s. Des wird schon noch! Du trainierst ab Dienstag mit der    1. Mannschaft!“ Ohne es bereits zu ahnen, hatte Morlock seinen Stammplatz sicher, und in der Mannschaft lernte man Talent und Fleiß des untadeligen Sportsmanns schnell zu schätzen.

Von Bumbas Schmidt sagte Morlock, dass er wirklich rauh, aber herzlich war. Während des Krieges fuhr er sogar von Kompanieführer zu Kompanieführer, um die Spieler für den Sonntag freizubekommen. Er impfte dem noch jugendlichen Morlock ein, dass man nur mit stetem Fleiß etwas erreichen könne, dass Spielerei allein nicht genüge. Er hielt die Außenwelt von der Mannschaft ab und verteidigte jeden Spieler, auch wenn einer einmal schlecht spielte. Dafür verlangte er, dass die Spieler für ihn durchs Feuer gingen. Er konnte die Mannschaft begeistern, aber er war auch streng. Alkohol wollte er die Spieler in keiner Form trinken sehen. Als Morlock schon über 30mal in der ersten Mannschaft gespielt hatte und einmal an einem trainingsfreien Tag Besuch von einem Kameraden bekam, ging er mit ihm ins Clubrestaurant. Der Freund bestellte für jeden ein Glas Bier. Morlock hatte gerade den ersten kleinen Schluck getrunken, als Bumbas die Gaststätte betrat. Was folgte ist in Einzelheiten nicht überliefert, weil dem empörten Bumbas die übliche Virginia aus dem Mund fiel und ein solcher Wolkenbruch von Geschrei losbrach, dass einzelne Worte kaum verständlich waren. Der Maxl merkte bloß, dass ihn der Bumbas wegen seines Alkoholismus fürchterlich zur Sau machte. Schließlich packte er das Bierglas, schleifte es in die Schenke und drohte dem Wirt ewige Höllenstrafen an, wenn er so einem jungen Dachs noch einmal Bier serviere.

In Schmidts Training ging alles mit Hochdruck über die Bühne. Der Bumbas war erst zufrieden, wenn den geschlauchten Spielern der Dampf aus den Socken stieg. Morlock war diese Art des Trainings recht. Als ein paar Kameraden einmal mächtig auf die „Spinnerei“ schimpften, sagte er trocken: „Eher haut’s den von seinem Gebrüll um, als mich von seiner Schinderei!“

Unvergessen blieb Morlock eines seiner ersten Spiele gegen Schwaben Augsburg, in dem er zum 4:0-Sieg zwei Treffer beisteuerte. „Als ich den ‚Kicker’ las, fand ich mich nicht als Torschütze“, wunderte er sich damals. Des Rätsels Lösung: „Damit der junge Bub nicht größenwahnsinnig wird“, hatte Schorsch Kennemann den Journalisten, die Morlock noch nicht kannten, einfach andere Torschützen genannt. Dennoch verband die beiden kurz darauf eine enge Freundschaft. Und noch etwas änderte sich von diesem Tag an: Maxl durfte sich jetzt in der Kabine der „Großen“ umziehen.

Im April 1942 erhielt der noch nicht ganz 17jährige eine Einladung nach Frankfurt zu einem Lehrgang für Nationalmannschaftskandidaten, da sich seine Leistungen schon bis zu Sepp Herberger herumgesprochen hatten. Er war der jüngste Teilnehmer des 14tägigen Kurses. Sein Erfolg stieg ihm aber nicht zu Kopf. Wenn die erste Mannschaft spielfrei war, trat er in der Clubjugend an, wobei ihm in einem Spiel gegen Eichstätt, das der Club 17:0 gewann, einmal    12 Tore gelangen. Sein letztes Jugendspiel absolvierte er am 24. August 1942 in Friedrichshafen.

Max träumte also von einer Nationalmannschaftskarriere, doch er musste noch 8 Jahre warten, bevor er zu seinem ersten Einsatz kam. Der Grund ist einfach: Am 22. November 1942 fand das letzte Länderspiel einer deutschen Nationalmannschaft während des Krieges statt. Erst am      22. November 1950 gab es das nächste – und Morlock war dabei.

In der Gauliga-Saison 1942/43 erspielte sich der Club mit 40 :0 Punkten und 125 :17 Toren die bayerische Meisterschaft. Von den 125 Toren hatte Morlock alleine 54 erzielt.

Max beim Militär

Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl
Maxl Morlock und Helmut Herbolsheimer in einem Freundschaftsspiel gegen Zagreb

Am 25. August 1943 wurde er zusammen mit Helmut Herbolsheimer zur Nachrichtenkompanie nach Schwabach einberufen. Noch längere Zeit konnten sie von dort aus den Club in seinen Spielen unterstützen. Clubvorstand Müller war auch dort und hatte als Gefreiter laut Herbolsheimer mehr zu sagen als der Major. Doch auf der Schreibstube begann man es bald ungern zu sehen, welche Freiheiten sich die jungen Rekruten herausnehmen durften. Der Adjutant des Kommandeurs wollte es zwar so, aber einem Spieß wollte es partout nicht in den Kopf, dass sie so oft zum Club verschwinden durften. Schließlich musste ja für jeden Trainings- und Spieltag ein Urlaubsschein ausgefüllt werden, und Herbolsheimer brachte es in einem Jahr auf 92, Morlock sogar auf 96 Urlaubstage. Besagter Spieß sorgte also dafür, dass die jungen Fußballrekruten, die in keine Heeresdienstvorschrift hineinpassten, bald bevorzugte Mädchen für alles wurden: fürs Latrinenreinigen, für Unteroffiziersdienste niedriger Art und andere Feinheiten. Dabei war Morlock ein tüchtiger Mann, ein Mustersoldat sogar, wie Herbolsheimer berichtete, der dies für sich selbst keineswegs in Anspruch nahm. So sagte er zum Beispiel, dass die Zielscheibe bei den Schießübungen für ihn immer zu klein war, Morlock hingegen damit viel besser zurecht kam. Max hätte also eigentlich nichts passieren können. Da die beiden aber so dicke Freunde waren und bei Herbolsheimer Hopfen und Malz verloren war, ließ der Spieß zum „gerechten Ausgleich“ den Max ständig „gewehrpumpen“ – „damit ihr Spezi Herbolsheimer das Schießen lernt!“ Da der es aber nicht lernte, wuchsen auf diese Weise die Armmuskeln Morlocks ganz beträchtlich. Morlock ertrug die „Sonderbehandlung“ jedoch ohne aufzumucken, schließlich brauchte er ja wieder einen Urlaubsschein.

Die beiden Cluberer teilten sich in Schwabach einen Spind. Herbolsheimer musste die gesamten Utensilien waschen und putzen, der ordnungsliebende Max räumte alles mit peinlicher Sorgfalt wieder ein. Beim Spindappell sah alles immer aus wie geleckt. Nur einmal hatte Morlock eine alte, verschimmelte Brotkruste übersehen, die den Augen des Spießes natürlich nicht entging. Triumphierend zog er sie heraus, tobte herum und machte sich auf, den zuständigen Leutnant zu holen. Da packte ein guter Kumpel Morlocks und Herbolsheimers die Brotkruste und fraß sie auf. Als der zurückgekehrte Spieß sie vergeblich suchte, meldete er, dass er sie aufgefressen habe. Daraufhin setzte es für alle 14 Tage Stubenarrest. Als die 14 Tage um waren und alle anderen ausgeflogen waren, saß Morlock abends allein auf der Stube, als der Spieß hereinkam. Großmütig sagte er: „Sie können auch gehen!“ Da antwortete der Max: „Mich hat’s net troff’n, ich geh sowieso net aus!“ Herbolsheimer konnte diese Behauptung auch bestätigen: „Wenn wir in die Stadt oder ins Wirtshaus gingen, dann saß der Maxl daheim und las die Briefe, die er am Morgen bekommen hatte und die er immer erst am Abend aufmachte, wenn der Dienst aus war. Oder er reinigte sein Gewehr oder fummelte an anderen Sachen herum. Vom Ausgehen und Herumflanieren hielt der Max nichts.“ Auch über Morlocks Beziehungen zu Mädchen erstattete er Bericht: „Der hat keine angeschaut, sogar wenn wir in Barcelona spielten oder sonstwo und am Abend ausmarschierten, da ging der Maxl immer schnell wieder ins Quartier.“ Und auch mit dem Singen hatte es Morlock nicht. Als sein Trupp einmal dem Major vorsingen musste flüsterte plötzlich einer ihm zu: „Maxl, sing leiser, sonst schmeißt du uns um!“

Am 26. September 1943 kam es für Morlock zu einem einmaligen Erlebnis: Der von ihm früher so verehrte „Hauptmann“ Köhl half der jungen Clubmannschaft als Urlauber in einem Spiel in Saarbrücken aus. Er und der 15 Jahre ältere Torwart, den er immer angehimmelt hatte, in einer Mannschaft – Max war begeistert. Was er nicht wusste: Es war das letzte Spiel Köhls, der ein gutes Vierteljahr später an den Folgen einer schweren Verwundung starb.

1944 legte Morlock, der sich freiwillig zum Einsatz gemeldet hatte, als Panzerfunkwart Kabel in Dänemark. Seinen Freund, das Enfant terrible Herbolsheimer, hatte man mit den ersten Einsatzabstellungen aus Schwabach nach Krakau geschickt. Morlock fehlte damit ein Stück Heimat und er ging auch. In Dänemark gab es auch eine Divisionsmannschaft, in der er natürlich bald spielte. Später wurde seine Einheit in den früheren „polnischen Korridor“ verfrachtet. Als sie dort ankamen, hatte die russische Armee den Kessel bereits geschlossen. Der einzige Ausweg war der Durchbruch nach Pommern an die Ostsee, wo die deutsche Marine noch einen Stützpunkt verteidigte. Nur wenige überlebten ihn. Von dort expedierte man den müden Haufen zum Ersatztruppenteil bei Berlin, wo Morlock bald einem pausenlosen Hagel schwerer Waffen ausgesetzt war. Als am 5. Mai 1945 die Sowjets anrückten, setzte er sich befehlsgemäß nach Westen ab. Am 6. Mai überquerte Morlock mit seinen Kameraden die Elbe und lief den Amerikanern in die Hände, denen der Andrang aber zu groß war. Sie reichten Morlock mit ganzen Wagenladungen voll Kameraden an die Engländer weiter. Die aber konnten sie nicht versorgen und reichten sie wieder an die Amerikaner zurück. Die feierliche Übergabe sollte in Bamberg erfolgen, wo man die Rückkömmlinge angeblich entlassen wollte. Morlock hatte aber gehört, dass solche Versprechungen oft ganz anders endeten und machte sich, kaum in Oberfranken angekommen, mit einem Kameraden selbständig. Sie versteckten sich in einem Güterzug, mit dem sie ausgerechnet in Fürth landeten. Über endlose Ruinenfelder machte sich Max auf den Weg nach Gleißhammer. Er hatte wirklich einen Riecher gehabt, denn die versprochene Entlassung in Bamberg kam nie zustande. Stattdessen wurden die Gefangenen den Franzosen übergeben, die sie nach Frankreich transportierten. Viele von ihnen kehrten erst nach vier Jahren wieder nach Hause zurück.

Die erste Zeit nach dem Krieg

Nachdem Morlock mit seinen Eltern die schwer beschädigte Wohnung wieder hergerichtet hatte, machte er sich mit den übriggebliebenen Arbeitskollegen von früher daran, die zerstörte Firma wieder aufzubauen.

Nach dem 2. Weltkrieg lebte Max bis 1949 in einer „niedrigen und altersschwachen Dorfkate, die nach dem Sprengkommando förmlich schreit“, wie die Sport-Illustrierte berichtete. Als Hilfsmaurer und Lichtmaschinenreparateur bezog er bald Lebensmittelmarken für Langarbeiter, wodurch es ihm etwas besser ging als vielen anderen. Besser zum Beispiel als Schorsch Kennemann, der weniger Marken bekam, weil er als Kriminalbeamter nicht körperlich arbeitete. Er trainierte deshalb zum Nebenerwerb einen kleinen Bauernverein. Weil er Morlock gut leiden konnte, nahm er ihn als Assistenten mit.

Die Club-Mannschaft trainierte damals auf dem Eintracht-Gelände, weil der Zabo, beziehungsweise das, was davon übrig war, von den Amerikanern konfisziert war. Bomben hatten den Platz in eine Kraterlandschaft verwandelt, die Tore und die Umzäunung waren verheizt worden. Nur das Clubhaus stand noch. Morlock marschierte also zur Eintracht, wo gerade Training war. Bumbas Schmidt empfing den Heimkehrer mit den Worten: „Du kommst grad recht! Zieh dich gleich um, wir brauchen noch einen rechten Verteidiger!“ Am 4. November 1945 bestritt die Mannschaft ihr erstes Punktspiel nach dem Krieg in der neu gegründeten Oberliga Süd. Gegner war Bayern München. Der Trainer hieß inzwischen aber Alv Riemke. Bumbas Schmidt hatte man wegen seiner Parteizugehörigkeit die Trainerlizenz entzogen.

Kurz nach Jahresanfang 1946 benutzte der Club ein spielfreies Wochenende, um mit einem irgendwie aufgetriebenen alten Omnibus zu alten Freunden im Westen zu fahren: zu Fortuna Düsseldorf und zu Schalke 04. Nach dem Spiel gegen Düsseldorf verkrümelten sich ein paar Cluberer mit Spielern der Fortuna und fehlten, als die Abfahrt nach Gelsenkirchen auf dem Programm stand. Der Busfahrer und einige Spieler machten sich auf, um die Ausreißer zu suchen. Aber nur Max Morlock, der so etwas wie ein „Vertrauensmann“ seiner Kumpel war, wusste, wo sie steckten. Er lud also alle, die noch da waren, in den Bus und setzte sich ans Steuer. Nach und nach gelang es, alle wieder einzusammeln. Und allen ging es prächtig. Krank und gelb war nur die Besatzung des Omnibusses, der an die Fahrkünste Morlocks die höchsten Anforderungen stellte. Bloß: Der Max besaß gar keinen Führerschein und hatte kaum Erfahrung im Autofahren. Schorsch Kennemann behauptete hinterher, dass er seit dieser Fahrt an nervösem Augen- zwinkern und an Hühneraugen leide und dass es der Max nur seiner Gutmütigkeit verdanke, dass er ihn nicht auf eine lebenslängliche Rente verklagt habe.

Das erste Erlebnis mit Alkohol seit der Gardinenpredigt von Bumbas Schmidt viele Jahre zuvor hatte der Max 1946 anläßlich eines Freundschaftsspiels beim 1. FC Kaiserslautern. Fritz Walter hatte es nach dem Spiel tatsächlich geschafft, eine Batterie Weinflaschen zu organisieren. Natürlich konnte er nicht alle verpflegen und schnappte sich zunächst nur den Max und Willi Billmann. Als es darum ging aufzubrechen, kamen Zapf Gebhardt, der schon immer gern den Aufpasser spielte, und Morlocks Kumpel Herbolsheimer, um die beiden ein bisschen anzutreiben. Mit ihrer Eile war es allerdings schnell vorbei, als sie die Flaschen sahen. Natürlich tranken sie nur mit, um Max beim Aufbrechen zu helfen. Der war aber den Alkohol noch immer nicht gewohnt. Trotzdem nahm er das Drängen des Abholkommandos ernst und schüttete pflichtbewusst – schließlich konnte man ja nichts umkommen lassen – in sich hinein, was noch übrig war. Den großartigen Empfang in Bingen ein paar Stunden später kannte Morlock zeitlebens nur vom Hörensagen.

Ein anderes Mal wurde Morlock das „Opfer“ der Stimmungskanone Kennemann. Darüber berichtete er folgendes: „Der Kennemann konnte trinken. Es war 1946 bei einem Freundschafts- spiel in Pforzheim. Der Schorsch nahm mich mit zu den Schwarzhändlern. ‚Sei ruhig, Klanner, wir kriegen etz an wunderbaren Schnaps. Und wenn du Lauser net trinkst, wirst du nie ein Fußballer!’ sagte er zu mir. Wir tranken also einen nach dem anderen. Doch Kennemann hatte nur angetäuscht und hatte gar nicht getrunken. Ich war dagegen stockbesoffen. Ich durfte dann am nächsten Tag bis kurz vor Anpfiff ausschlafen, wurde von Trainer Michalke von Kopf bis Fuß angezogen – er band mir sogar auch noch die Schuhe zu. Dann schoss ich vier der fünf Tore zum Sieg.“ Kennemann aber plagten im nachhinein arge Gewissensqualen, als er den Max vor dem Spiel in der Kabine gesehen hatte.

1947 lud ein Betriebsrat von „Noris-Zündlicht“ Morlock vor und erklärte ihm, da er so viele Stunden wegen des Fußballs fehle, habe er keinen Anspruch mehr auf seine Langarbeiter- Lebensmittelkarten. Da ihm die Normalverbraucherrationen wenig nützten, kündigte Morlock, machte den Führerschein und bekam die staatliche Konzession als Lastwagenfahrer einer Großgaststätte, in der ein alter Clubanhänger das Sagen hatte. Mit seinem Eineinhalbtonner kutschierte er oft die Mannschaft durch die Stadt zu Zapf Gebhardts Lokal „Zum Hippel“, wo die von diesem im Schlachthof organisierten Fleischrationen zubereitet wurden.

Im april 1947 konstatierte der „Sport“: “Morlock hat in seinem Tordrang allerlei von trägscher Art.“ Im Juli 1947 stand in derselben Zeitschrift unter der Überschrift „Köpenickiade um Morlock“ folgender Artikel: „Beim Schwergewichtsboxkampf Grupe gegen den Kasselaner Tiedtke glaubte der Kasseler Fachwart für Fußball dem Rundfunkmann einen guten Tip zu geben, als er ihn darauf aufmerksam machte, dass Max Morlock vom 1. FC Nürnberg am Ring sitze. Morlock habe seinen Nürnberger Club verlassen und jetzt die Reihen des Kasseler Oberliga-Aufstiegskandidaten verstärkt. Der Mann am Mikrophon war nicht wenig erstaunt, als er hinter der dunklen ‚Tarn’-Brille einen anderen Mann entdeckte als den ihm bestens bekannten Nürnberger Tempomacher und Torschützen. Die alarmierte Polizei verlangte die Legitimation des Schwindlers, der die Kasseler Sportanhänger seit Tagen beunruhigte und sorgte dafür, dass Herr ‚Morlock’ seine Köpenickiade nicht weiter zu spielen und in den Angriff der Kasseler Fünfer- reihe eingereiht zu werden vermochte, sondern dem Schnellrichter vorgeführt wurde.“

In der Saison 1947/48 sorgte Morlock im Spiel gegen die Sportfreunde Stuttgart für Aufsehen, als er – der beste Stürmer auf dem Platz – für den verletzten Edi Schaffer zwischen die Pfosten ging.

Beim Auswärtsspiel in Mannheim in der selben Saison brachte Schorsch Kennemann die Zuschauer so gegen sich auf, dass sie nach dem Spiel begannen, ihn mit Steinen zu bewerfen. Berittene Polizei nahm ihn deshalb in die Mitte und eskortierte ihn zur Kabine. Als die Mannheimer begannen, zwischen den Pferdebeinen hindurch auf Kennemann zu werfen, hängte der sich kurzerhand zwischen die Pferde und zog die Beine hoch. Max Morlock erinnerte sich später an diese und ähnliche Szenen so: „Bloß wir, die gänzlich unschuldig waren, bekamen dann oft, wenn wir friedlich hinterherzogen, die Prügel ab!“

Pfingsten 1948 fuhr der Club ins Saarland, um ein sogenanntes „Kompensationsspiel auszu- tragen. Der Grund war, dass man endlich das Vereinsgelände einzäunen wollte, aber nirgends Maschendrahtzaun bekam. Morlock war von der Reise beeindruckt: „Die Augen gingen uns fast über, als wir ins Saarland fuhren. Da flossen Milch und Honig markenfrei. Bei uns daheim legten die Hühner immer noch keine Eier und die Fetttöpfe waren bei den meisten hohl und leer, wenn auch der Zapf Gebhardt alles mögliche tat. Ich kam mit Edi Schaffer zu einem Metzgermeister ins Quartier. Der Tisch bog sich wahrhaftig unter der nahrhaften Last. Unser Gastgeber feuerte uns immer wieder an. ‚Das wäre gelacht’, sagte er, ‚wenn ich es nicht fertigbrächte, dass wir Neunkirchner morgen das Spiel gewinnen.’ Immer wieder ließ er neue Platten auftragen. Als der Edi sich das achte Kotelett einverleibt hatte, da war unser prächtiger Metzgermeister des Sieges seiner Mannschaft vollends sicher. Am anderen Tag traten wir also zum Spiel an, nicht ohne der Großmut unseres Gastgebers noch einmal alle Ehre erwiesen zu haben. Es waren noch keine    10 Minuten gespielt, da stolperte Schorsch Kennemann an mir vorbei und stöhnte, nach Luft schnappend wie ein Karpfen: ‚Maxl, kriegst – du – a – Luft?’ Und was mich anging, ich hatte den hinterlistigen Gedanken, jetzt läßt du dich bei einem Zusammenstoß auf den Erdboden fallen, stößt einen Schrei aus und lässt dich auf der Tragbahre hinaustragen. Aber natürlich schlug ich den inneren Schweinehund doch tot und machte weiter. Schließlich haben wir auch noch gewonnen!“

Im Juni 1948 musste Morlock in einem der letzten Oberligaspiele der Saison gegen die Sport- freunde Stuttgart den verletzten Edi Schaffer im Clubtor ersetzen.

Kurz vor dem Meisterschaftsfinale gegen Kaiserslautern zitierte das Sport-Magazin den alten Cluberer Bumbas Schmidt: „Zugegeben, Morlock stellt eine Ausnahmeerscheinung unter den Fußballern dar. Doch bei überragenden Spielen, wenn es ums Ganze geht und die gegnerische Deckung ihre ganze Kraft auf ihn konzentriert, dann lässt auch Morlocks Spielkunst nach. Er ist noch nicht die Persönlich- keit wie einst ein Heiner Träg oder Schorsch Hochgesang oder Ludwig Wieder oder Seppl Schmitt!“

Vor dem Endspiel um die Meisterschaft waren die Cluberer natürlich nervös. Über die letzten Stunden im Hotel vor dem Spiel erzählte Max Morlock diese kleine Geschichte: “Nach dem Essen verordnete uns der Trainer nochmals Bettruhe, aber damit war es nicht weit her. Die älteren Spieler dösten zwar etwas vor sich hin, aber die jungen nützten diese Ruhe vor dem Sturm noch einmal aus. Sie wussten vor Unfug nicht, was sie anstellen sollten. Der Krach erreichte seinen Höhepunkt, als die Spieler aus dem ersten Stock auf die im zweiten mit vollgefüllten Wasserflaschen losgingen. Wie Indianer auf dem Kriegspfad schlängelten wir uns durch die Gänge und wenn auch nur das Haar eines Gegners gesehen wurde, dann traten die Flaschen schon in Tätigkeit. Der Wirt stand sprachlos vor den Wasserbächen, die aus allen Zimmern sickerten.”

Nach der siebten Meisterschaft 1948

Um mit der frischen Meisterehre Geld zu machen, schloss die Vorstandschaft nach dem Endspiel eine ganze Reihe von Privatspielen ab. Eines davon fand in Dortmund statt und ging 0:5 verloren. Im Tor stand dabei der Max, denn Edi Schaffer war verletzt. Morlock übrigens auch, aber er hatte erklärt: „Wenni scho außen net spilln koh, dann geh i ins Tor!“ Den ersten Treffer kassierte er auf recht kuriose Weise: Die Torhütermütze rutschte ihm genau in dem Augenblick über die Augen, als er den Schuss abwehren wollte.

Als 1948 die siebte deutsche Meisterschaft unter Dach und Fach war, beschloss die Vorstandschaft, die Mannschaft in Urlaub zu schicken. Der Zapf fand dafür am Tegernsee ein geeignetes Quartier. So ein sommerlicher Urlaub war für den alten Filou eine einzige Brautschau. Die anderen sahen das natürlich mit Missgunst. Die erste Eroberung redeten sie ihm schließlich aus, indem sie ihn davon überzeugten, dass sie schiegle. Die zweite aber war eine wirklich schöne und vornehme Dame, die etliche Kilometer vom Quartier der Cluberer entfernt im feudalen Parkhotel in Tegernsee residierte. Dem Urlaub der Cluberer hatte sich damals der Nürnberger Rennfahrer Jakobi angeschlossen, und der besaß etwas, was eine absolute Rarität war: Einen kleinen Fiat. Der Zapf hatte kurz zuvor den Führerschein gemacht und sagte zu seiner Angebeteten: „Ich werde Sie mit meinem Wagen nach Tegernsee bringen!“ Dann redete er dem gutmütigen Jakobi ein Loch in den Bauch und verschwand mit der Dame und dem Fiat. In Tegernsee angekommen, stellte er den Fiat ab, vergaß aber ihn abzuschließen und ließ auch den Zündschlüssel stecken. Inzwischen aber war Max Morlock auf eine Idee gekommen. Er wusste, dass der Hausbursch des Clubquartiers ein Motorrad besaß, und borgte es sich für ein paar Pfennige aus. Schnell weihte er seine Kameraden in den Plan ein und brauste nach Tegernsee zum Parkhotel. Dort stellte er das Motorrad ab, hockte sich in den Fiat und verschwand. Als er damit daheim ankam, schlug die große Stunde von Schorsch Kennemann. Der hängte sich nämlich ans Telefon, rief im Parkhotel an und ließ den Zapf ans Telefon holen. Als er dran war, erklärte er ihm aufgeregt: „Zapf, der Herberger hat angrufen, du sollst berufen werden und glei rüberkummer. Der Herberger ruft in anner Stund widder oh!“ Der Ehrgeizige Zapf ließ sich das nicht zweimal sagen. Hals über Kopf verabschiedete er sich und rannte zu dem Platz, wo er sein Auto abgestellt hatte. Als er feststellte, dass es verschwunden war, alarmierte er empört die Polizei. Es gab ein mordsmäßiges Durcheinander, und schließlich stellte sich heraus, dass der Fiat gar nicht dem Zapf gehörte. Als seine Angebetete das merkte, ließ ihr Interesse an ihm schlagartig nach. Der Zapf aber schlich belämmert davon. Max Morlock berichtete abschließend: „Da war ihm für einige Zeit das Poussieren vergangen!“

Nach der der ersten Nachkriegs-Meisterschaft 1948 wurde Morlock auch ein interessanter Kandidat für die Nationalmannschaft Sepp Herbergers, der anlässlich des Endspiels in sein berühmtes Notizbuch schrieb: „Morlock wurde zur Hauptfigur im Angriffsspiel der Nürnberger. Er schaffte unermüdlich, baute auf, trieb an, half hinten aus, war fix, wendig und einfallreich.“  Allerdings gab es auch Tage, wo selbst der Max Kritik einstecken musste. So zum Beispiel im Oktober 1948 anlässliche eines Zonenspiels Süd gegen Nord in Nürnberg, als das Sport-Magazin schrieb: “Morlock: für viele eine Enttäuschung. Kein Kämpferherz, ohne Schussglück, ohne Sprungkraft. Kein Verständnis mit Pöschl! Lichte Momente in Zweikämpfen oder akrobatischen Ball-Duetts.”

                                                                       Abbildung entnommen aus Sport-Magazin 42/1948
 Eine Südauswahl vor einem Vergleich gegen den Norden, der 1948 1:1 endete.
Stehend v.l.n.r.: Kupfer (Schweinfurt 05), Platzer (BC Augsburg), Kennemann,
Weber (Kickers Offenbach), Morlock, Barufka, Läpple (beide VfB Stuttgart),
Pöschl; kniend v.l.n.r.: Knoll, Turek (Ulm 46), Siegel (Waldhof Mannheim).

1949 zog Morlock mit der Mutter und dem Bruder in eine Dreizimmer-Wohnung. Tipfi Oehm, ein Weggefährte seiner Jugend, der nach Morlocks Karriereende seinen Stammplatz auf der Tribüne neben ihm hatte, besorgte ihm einen Kohleherd für die Küche. Schorsch Hagen, ein gelernter Schreiner, schleppte Sand und Zement nach oben, befestigte die Stuckleisten und halb beim Fußbodenlegen. Und Uebelein III, ein Malermeister, brachte die Wohnung gar auf Hochglanz. In diesem Jahr wurde Morlock auch der Kapitän der Clubmannschaft.

1949 reiste der Club gegen Ende des Fifa-Boykotts gegen deutsche Mannschaften zu einem Freundschaftsspiel zu den Züricher Young Fellows. Damals war es verboten, mehr als 10 Mark mit über die Grenze in die Schweiz zu nehmen, und Leibesvisitationen waren an der Tages- ordnung. Als ersten holten die Zollbeamten Schorsch Kennemann aus dem Bus, der aber schon nach knapp zwei Minuten wiederkam. Der nächste war Max Morlock. Schnell fragte er Kennemann noch, ob die Sache schlimm sei und ob man sich ausziehen müsse. Der erwiderte: „A wo, gar nix is los, des is bloß pro forma!“ Die Beamten aber durchsuchten Morlock von oben bis unten, ließen ihn die Socken ausziehen, schauten in seinen Schuhen und in seinem Mund nach, ob er kein Geld schmuggelte. Als er endlich fertig war, beschwerte er sich bei Kennemann: „Du hast mir ja was schöns gsagt!“ „Wieso“, tat der verwundert, „ich hab halt mei Kriminal- markn zeigt!“

An Weihnachten 1949 trat der Club in Gelsenkirchen gegen Schalke an und verlor mit 1:5. In diesem Spiel zeigte sich Morlock extrem ballverliebt. Als er von einem Kameraden wegen seiner Fummelei zur Rede gestelltt wurde, meinte er: „Geh zou, is doch schäi, lass mi halt aweng schwanzn!“

In der Saison 1949/50 lag er fast zwei Monate in der orthopädischen Klinik in Altdorf, um einen verschleppten Muskelriss auszuheilen. Natürlich fehlte er der Mannschaft, die nach Pöschls Weggang sowieso schon Sturmprobleme hatte, an allen Ecken und Enden. Als er zurückkam, ging es mit dem Club schlagartig wieder aufwärts.

Abbildung entnommen aus Brömse: Max Morlock
Die Toto-Annahmestelle Weiß-Morlock am Celtisplatz

Da man vom Fußball nicht leben konnte, übernahm der Max 1949 eine Toto-Hauptannahmestelle hinter dem Nürnberger Hauptbahnhof am Celtistunnel. Später kam noch eine Kartenvorverkaufsstelle dazu. Sein Laden, der am Anfang nur eine Bretterbude war, war in den Nachkriegsjahren nicht nur Mittel zur Existenzsicherung, sondern auch Umschlagplatz für alle Neuigkeiten über das Geschehen am Zabo. Dramatische Stunden erlebte er später in seinem neuen Geschäft in der Pillenreuther Straße vor dem Heimspiel gegen Frankfurt in der Meisterschaftssaison 1967/68, als die Polizei vorfahren musste, um eine Stürmung des Ladens durch die begeisterten Fans zu verhindern. Die erste Toto-Annahmestelle gehörte ihm nicht alleine. Die Idee dazu stammte eigentlich vom ehemaligen Club-Jugendleiter Hans Weiß. Der hatte vor dem Krieg als Oberinspektor bei der Stadt gearbeitet und durfte nach der Nazizeit nicht wieder dort anfangen. Eine Zeitlang half er in der Zigarettengroßhandlung und Totoannahmestelle des ehemaligen Clubspielers Seppl Schmitt. Dann aber wollte er sich selbständig machen und fragte Morlock, ob er nicht sein Compagnon werden möchte. Max sagte ohne langes Nachdenken zu. Der Laden hieß demzufolge auch “Totannahme Weiß-Morlock”. Später wurde ein Sporthaus angeschlossen. Ob der Max wegen des Geschäfts oder wegen der Liebe Geschäftsmann wurde, weiß man nicht. Doch die Tochter von Weiß, Inge, die schon als Mädchen bei vielen Spielen dabeigewesen war, wurde schließlich seine Frau. Ihr erstes Rendezvous war eine Radfahrt in die Fränkische Schweiz. Davor suchte Max den Helmut Herbolsheimer auf, um sich zu erkundigen: „Wos mou i denn dou soong?“

Im Herbst 1949 wurde Morlock in Augsburg das Opfer einer schändlichen Tätlichkeit, wie die Vereinszeitung des 1. FCN im Dezember mitteilte: “Schwaben-Außenläufer Skuzina schlug den nach einem Abstoß ahnungslos an ihm vorbeigehenden Morlock mit der Faust ins Gesicht, zu einem Zeitpunkt, an dem an ganz anderer Stelle des Feldes gespielt wurde. Zwei Polizisten waren Augenzeugen. Schade, dass es keine Möglichkeit gibt, solche Freibeuter des Sports entsprechend zu belangen.”

Natürlich hatte der Max auch lukrative Angebote anderer Vereine. 60 000 Mark Handgeld bot ihm 1949 Fiorentina Florenz. 1950 erhielt er ein Angebot vom AC Bergamo und später mehrere aus Spanien. 70 000 Mark in bar hätte ihm die Unterschrift in Italien gebracht. Sein Monatsgehalt hätte in der Höhe dem eines gutgestellten Ministerialbeamten entsprochen. Als Hauptgrund für seine Ablehnung nannte er später neben der Kameradschaft in der Nationalmannschaft: „Ein Franke lässt sich nicht so leicht verpflanzen!“

1950 heiratete Morlock Inge Weiß. Am Nachmittag des Hochzeitstages spielte er gegen Austria Wien und verlor mit der Clubmannschaft 0:5.

Max wird Nationalspieler

Bundestrainer Sepp Herberger begann 1950 damit in 10 Sichtungslehrgängen 250 deutsche Nachwuchsspieler zu testen, unter anderen auch Morlock. Im historischen ersten Länderspiel nach dem Krieg gegen die Schweiz am 22.11.1950 in Stuttgart war er dann zum erstenmal in der Nationalmannschaft dabei, weil Fritz Walter mit einer Verletzung ausfiel. Passend zum historischen Datum: Da Deutschland zum damaligen Zeitpunkt keine Nationalhymne besaß, herrschte nach der Schweizer Hymne eine Minute lang Totenstille im Stadion.

 


Abbildung entnommen aus Brömse: Max Morlock
Die deutsche Nationalmannschaft in ihrem ersten Länderspiel nach dem Krieg:
v.r.n.l.: Kupfer (Schweinfurt 05), Turek (Fortuna Düsseldorf), Burdenski (Werder Bremen), Otmar Walter (1. FC Kaiserslautern), Klodt (Schalke 04), Morlock, Baumann (beide 1. FC Nürnberg), Hermann (FSV Frankfurt), Barufka (VfB Stuttgart), Balogh (VfL Neckarau), Streitle (Bayern München).

Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl
Stuttgart, 22. November 1950
Max Morlocks erstes Länderspiel ist Ander Kupfers letztes.

1950/51 wurde Morlock mit 28 Toren zum ersten Mal Rekordschütze in der Oberliga Süd.

1951 spielte er dreimal in der Nationalmannschaft: gegen Österreich, Irland und die Türkei. Bei diesem Spiel in Istanbul war er Zimmergenosse von Helmut Rahn. Um Morlock zu ärgern, fing der auf dem Platz vor dem Hotel eine Taube und setzte sie in Morlocks Nachtkästchen. Als Maxl später das Schränkchen öffnete, flatterte ihm das Biest entgegen. Noch schlimmer aber war, dass ihm Rahn einen einstündigen Vortrag über Taubenzucht, den Brieftaubensport und über Taubenrekorde hielt. Auf dem Rückflug geriet die Maschine in ein Unwetter. Morlock las unberührt in der Zeitung, doch Fritz Walter saß bleich und ängstlich in seinem Sessel. Um ihm etwas Gutes zu tun, brachte ihm Morlock seine Zeitung. Als Fritz Walter hineinschaute fiel sein Blick zu allererst auf eine groß aufgemachte Meldung über einen schweren Flugzeugabsturz. Obwohl er fix und fertig war, hatte er noch die Kraft, Morlock einen Tritt in den Hintern zu versetzen.

Im selben Jahr eröffnete er auch eine Totostelle in der Pillenreuther Straße. Außerdem beteiligte er sich am Sportgeschäft seines Schwiegervaters am Celtisplatz 2.

Abbildung entnommen aus Vereinszeitung des 1. Fußballklub Nürnberg 1/1954

An Weihnachten spielte sich Morlock dann mit dem Club in die Herzen der spanischen Zuschauer, als Atletico Bilbao mit 4:2 geschlagen wurde. Diesem Sieg folgte ein Spiel gegen den FC Barcelona, das der Club ebenfalls mit 2:0 gewann. Nach dem Schlusspfiff nahm Morlock auf den Schultern von Trainer Alv Riemke einen Riesenpokal und die minutenlangen Ovationen der 42 000 Zuschauer entgegen.

Abbildung entnommen aus Brömse: Max Morlock

Im Januar 1952 schrieb die Vereinszeitung anlässlich der Stöße von Briefen, die ständig für Morlock eingingen: “Der verehrlichen Damenwelt sei mitgeteilt, dass Max bestimmt nicht mehr zu haben ist.”

In der Saison 1951/52 wurde er mit 26 Treffern erneut Torschützenkönig, diesmal torgleich mit dem Offenbacher Helmut Preisendörfer.

Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl
21. Dezember 1952: Länderspiel Deutschland - Jugoslawien 2:2
Im Bild die beiden Torschützen, Max Morlock und Fritz Walter,
mit Bundestrainer Sepp Herberger. Im Hintergrund Erich Schanko.

1952 erlebte Morlock seinen einzigen Platzverweis – und das ausgerechnet gegen Fürth! Der Gefoulte war Charly Mai. Dieser Platzverweis brachte ihm eine vierwöchige Sperre ein und kostete ihn seine Berufung in die Nationalmannschaft für das Länderspiel gegen Frankreich in Paris. Hans Hofmann schrieb dazu in der Septemberausgabe der Vereinszeitung: “Auch der Schiedsrichter trug durch einige falsche Abseitsentscheidungen dazu bei, den Topf bei einem Spieler zum Überlaufen zu bringen. Das war nun leider unser Stürmeras Morlock, dem der Kragen platzte. Er nahm seinen Gegner Mai mitsamt dem Ball viel zu hart. Schon in dem Anlauf kennzeichnete sich der Zusammenprall, der für Mai nur augenblickliche und belanglose, für den Nationalspieler aber umso schlimmere Folgen hatte. Sein Ausschluss, der erste in seiner Laufbahn, trifft auch die Länderelf hart, denn sie muss ihren wirkungsvollsten Halbstürmer ersetzen.”

Das Vorkommnis schlug auch in der Folgezeit hohe Wellen. Hans Hofmann nahm im Oktober in einem Brief an den Sport-Kurier noch einmal Stellung und bezog sich dabei auf den Live-Kommentar des BR-Reporters Sammy Drechsel: “Es trifft sich gut, dass Sie sich das Band vorspielen ließen und deshalb wird Ihnen nicht entgangen sein, dass der Sprecher bei dem Zusammenprall Morlock-Mai den letzteren schwerverletzt zu Boden gehen sah. Musste da nicht bei jenen Zuhörern, die den Vorgang nicht miterlebten, und das konnte eine Million Hörer gewesen sein, ein Bild von zerknackten Knochen, verletzten Eingeweiden, eilends erscheinenden Sanitätern, Ambulanzen usw. entstanden sein, und musste Morlock nicht nur als Rauhbein sondern als ein Rohling schlimmster Sorte erscheinen und musste nicht auch jener Kreis, der über den Sünder zu urteilen hatte, von dieser scheinbar blutrünstigen Freveltat beeindruckt worden sein? Was war in Wirklichkeit geschehen, nachdem Mai von Morlock in unzulässiger Weise überfahren wurde? Nichts war geschehen! Es gab keine Knochenbrüche oder andere schwere oder leichte Verletzungen, keine herbeieilenden Sanitäter, keine Ambulanzen, nein, rein gar nichts. Mai spielte, als Morlock draußen war, sofort weiter, so frisch und munter wie zuvor. 16000 Zuschauer sahen dies, nur einer nicht, das war der Rundfunksprecher Drechsel.”

Auch der berühmte Sportjournalist Richard Kirn nahm Stellung und forderte, Max Morlock trotz des Platzverweises in die Nationalmannschaft zu berufen: “Ein Spieler, der seiner ganzen Natur nach fair ist und , wie ich höre, in anderthalb Jahrzehnten ein einziges Mal über die Stränge geschlagen hat, verdient eine Begnadigung.” Dagegen schrieb die Vereinszeitung: “Achtung vor der Haltung der Clubvorstandschaft, sie sich trotz ihrer Nöte nicht dazu herbeiließ, ein Gnadengesuch für Maxel einzureichen. Auch wenn der 1. FCN weiß Gott z. Zt. kein Übermaß an Spielern der 1. Linie besitzt, so braucht er doch noch lange nicht einen Kniefall vor den Potzöbersten zu machen.”

Wie außergewöhnlich Morlocks Karriere weiter verlaufen sollte, bewies Jugendleiter Andreas Weiß, als er zur Weihnachtsfeier 1952 eine Szene schrieb, in der man erfuhr, dass die aktuellen Jugendspieler den Stamm der Club-Elf im Jahr 1960 ausmachen, der durch den Mittelläufer Maxl Morlock zusammengehalten wird. Beide Vorhersagen trafen bekanntermaßen nicht ein. Von der 52er Mannschaft war 1960 kaum noch jemand dabei. Und Morlock zog sich nie auf einen Abwehrposten zurück, sondern blieb bis zum 39. Lebensjahr ein Stürmer von echtem Schrot und Korn.

Im März 1953 wurde die Nationalmannschaft nach einem Spiel gegen Österreich in Köln dem Bundespräsidenten Theodor Heuss vorgestellt. Morlock stand als Letzter in der Reihe. Als er Heuss, der bis dahin noch nie ein Fußballspiel gesehen hatte, die Hand schüttelte, sprach dieser ihn an und sagte: „Und sie sind sicher der Torwart?“ Um keine peinliche Situation heraufzu- beschwören, antwortete der Max nach kurzem Überlegen artig: „Ja, Herr Bundespräsident, ich bin der Torwart.“

Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl
Max Morlock und “Papa” Heuß: “Ja, Herr Bundespräsident, ich bin der Torwart.”
In der Mitte Werner Kohlmeyer.


Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl
Im WM-Qualifikationsspiel gegen Norwegen, das 1953 in Hamburg stattfand,
wird Morlock von einem Sanitäter und Masseur Erich Deuser verletzt vom Platz geführt.
Trotzdem muss er später weiterspielen, denn ausgewechselt werden darf nicht.

Als der Club im Mai 1953 auf Einladung des deutsch-amerikanischen Fußballverbandes in die U.S.A. reiste, staunte Morlock nicht schlecht über den „American way of life“ und meinte: „Junge, Junge, dort gibt es mehr Autos als bei uns Fahrräder!“ In Milwaukee aß die Mannschaft im deutschen Restaurant „Zur blauen Donau“ gerade zu Mittag, als Morlock ein Münchner um den Hals fiel, der ihm erklärte, dass er seit 30 Jahren hier lebe und ein Friseurgeschäft betreibe. Und die Münchner Bayern seien noch heute sein Lieblingsverein. Das seien Fußballkünstler, die allen etwas vorgezaubert hätten. Morlock gefiel diese Rede natürlich nicht, denn immerhin war ja der Club nach Milwaukee gekommen und nicht die Bayern. Also antwortete er: „A so a Zufall! Bist du wirklich Friseur? Also, so was! Ich bin aa a Friseur! Du willst uns umsunnst die Haar schneiden, hast gsagt? Des hast du nötiger als mir! Setz di her, i schneid dir die Haar!“ Gerhard Bergner besorgte schnell eine Schere und einen Kamm und Morlock fing an, seinem „Kollegen“ die Haare zu stutzen. Der aber zuckte bei jedem Schnitt zusammen und meinte schließlich: „Max, die Schere taugt nix!“ Da konnten sich die zuschauenden Cluberer nicht mehr halten und prusteten los. Der Münchner aber stöhnte: „Du Gauner! Du hast mi ogschwindelt!“

Weltmeisterschaft 1954

Auf der internationalen Bühne glänzte Morlock im Jahr 1954. Keines der Vorbereitungs- und Ausscheidungsspiele für die Weltmeisterschaft versäumte er. Dabei hatte die Vereinszeitung noch im April geschrieben: “Es steht außer Debatte, dass wir zu den bevorstehenden Probespielen des DFB, gleichgültig welchen Grades, irgendeinen Mann unserer Mannschaft abgeben können. Etwa noch Morlock aus der Elf zu nehmen, das käme einem finanziellen Selbstmord gleich. Das muss auch Sepp Herberger einsehen. Die Spiele unserer Reservemannschaft haben zuletzt deutlich bewiesen, dass wir mit Stürmertalenten absolut nicht gesegnet sind.”

Im Juni meldete man im Gegensatz zu dieser Ankündigung: “Apropos Morlock, er ist zu Gunsten der Weltmeisterschaftsbeteiligung gegenwärtig auf Eis gelegt, darf nicht mit dem Ball spielen und muss sich in Obacht nehmen, dass er auf dem Gehsteig nicht stolpert.”

Mit seiner Kraft, seinem riesigen Aktionsradius, der Kombination von Aufbauspiel und Vollstreckerqualitäten war Morlock die ideale Ergänzung zu dem großartigen, aber weniger robusten Regisseur Fritz Walter. Ganz genau erinnerte er sich später immer an den Beginn des WM-Turniers in der Schweiz: „Ich sehe sie heute noch alle vor mir. Genau 22 waren wir, als Bundestrainer Herberger die Trikots verteilte. Mancher hat aufgeatmet, als nicht er, sondern ich das Trikot mit der Zahl 13 auf dem Rücken erhielt. Herberger fragte: ‚Macht es ihnen was aus?’ Mir machte es wirklich nichts aus. Von da an wurde mir die 13 ein vertrauter Bundesgenosse, ja mehr noch: ein Glücksbringer.“

Fast wäre er um die Teilnahme am Endspiel in Bern gekommen. Darüber erzählte er: „Ausgerechnet in meinem besten Länderspiel überhaupt ging ich leer aus: gegen Jugoslawien im Viertelfinale in Genf. Ich hatte meine Frau nach Genf bestellt und ihr gesagt: ‚Gegen die Jugoslawen fliegen wir raus. Bestell in Italien ein Hotelzimmer, wir fahren dann gleich nach dem Spiel in Urlaub.’“ Aber die deutsche Elf gewann nach einer großen Abwehrschlacht mit 2:0. In einer der letzten Minuten jedoch kam es zu einem Pressschlag zwischen Morlock und dem Jugoslawen Boskov. Morlock musste vom Platz geführt werden. „Jetzt sitze ich in der Tinte“, dachte er, „nun geht es ohne mich ins Halbfinale gegen Österreich. Sorgen hatte ich, Sorgen! Aber was heißt schon Sorgen, eine Sauwut hatte ich!“ Masseur Erich Deuser begann schon Minuten nach dem Spiel mit seiner Behandlung. Die Schmerzen waren fast unerträglich, als er Morlocks Fuß, mit dem er nicht einmal mehr in einen Turnschuh schlüpfen konnte, massierte. Nach stundenlanger Busfahrt kam die Mannschaft schließlich im Quartier für das Österreich- Spiel an. Während die anderen in die Betten krochen, begann Deuser mit einer Unterwasser- massage. Dreimal wurde Morlock in der Nacht behandelt. Am Tag darauf konnte er wenigstens wieder gehen. Wieder einen Tag später konnte er mit einem Klebeband um den Fuß schon wieder Bälle schlagen. Am nächsten Tag war er dann doch gegen Österreich dabei. Als er vor dem Spiel aus dem Fenster schaute, sah er sieben Schafe – sechs weiße und ein schwarzes. Da meinte er: „6:1 gewinnen wir heute!“ Sein Zimmerkollege Helmut Rahn gab darauf folgenden Kommentar ab: „Jetzt ist er übergeschnappt! Die Geschichte hat sich vom Knöchel ins Hirn verzogen.“ Nach dem Spiel schrieb eine Zeitung über Morlock: „Die größte Wandlung zu einem Stürmer von europäischer Sonderklasse hat sich an Max Morlock vollzogen. Er kann jetzt über seine bisherige Stärke hinaus führen und lenken. Dieser Max Morlock ist Extraklasse!“

Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl
Nach dem gewonnenen WM-Spiel gegen Jugoslawien
wird der verletzte Max Morlock von den Fans im Triumphzug vom Platz getragen
.

Abbildung entnommen aus Kicker/Sport-Magazin 26/82
Die Weltmeisterelf 1954
v.l.n.r.: Fritz Walter, Toni Turek, Horst Eckel, Helmut Rahn, Ottmar Walter, Werner Liebrich, Jupp Posipal, Hans Schäfer, Werner Kohlmeyer, Charly Mai und Max Morlock.

Als sein liebstes und wichtigstes Spiel – nicht nur im Nationalteam – nannte er natürlich immer das gegen Ungarn im WM-Finale 1954, in dem er das rettende 1:2 erzielte.Vor dem Spiel gab er seinem Rechtsaußen Helmut Rahn einen Hinweis: „Kennst du die Methode Coué?“ Rahn kannte sie nicht. „Dann kennst du sicher die Methode Sepp Herberger!“ Rahn wusste immer noch nicht, worauf Morlock hinaus wollte. Da klärte der ihn auf: „Die heißt so: Ich muss den ball abgeben, ich muss den ball abgeben, ich muss den ball abgeben!“ Da antwortete der „Boss“: „Mein Wort drauf!“ Die deutsche Mannschaft wollte auf alle Fälle ein frühes Gegentor verhindern, da man in der Vorrunde 3:8 gegen die Ungarn verloren hatte. Doch nach 9 Minuten stand es schon 0:2. Eine Minute später aber hatte Morlock auf 1:2 verkürzt. Später urteilte Morlock über die vielleicht größte Stunde seiner Laufbahn: „Das war mein liebstes und mein wichtigstes Tor!“ Oft schilderte er die Szene haargenau, die sich direkt nach dem zweiten Tor der Ungarn ereignete, die sich noch gegenseitig erleichtert anlachten und kaum mitbekamen, was geschah: „Wir stießen nach dem 0:2 an. Urplötzlich stand Rechtsaußen Rahn ungedeckt auf dem linken Flügel. Er bekam den Ball, dribbelte kurz und feuerte mit dem linken Fuß einen Schrägschuss auf das ungarische Tor ab. Ich glaube, dass es Zakarias war, der den Ball ein klein wenig abfälschte. In rasender Fahrt flitzte mir der Ball über den nassen Rasen entgegen. Noch einen Schritt, und ich hätte ihn nicht mehr erreicht. Mir blieb nichts übrig, als ein langes Bein zu machen und dem Ball entgegenzugleiten. Inzwischen hatte Torwart Grosics rasch die Gefahr erkannt und warf sich mir entgegen. Ich war den Bruchteil einer Sekunde eher am Ball und stieß ihn an Grosics vorbei in die schmale Lücke zwischen Grosics und dem Pfosten.“ Der kullernde Ball streifte noch den Torpfosten, ehe er gemächlich hinter die Torlinie rollte.

                                            Abbildung entnommen aus Wich/Kelber: Der Meisterclub
v.l.n.r.: Max Morlock, Hans Schäfer, Boss Rahn, Grosics.

Bekanntermaßen gab dieses Tor dem Spiel die Wende, und Deutschland wurde mit 3:2 gegen den haushohen Favoriten Ungarn Weltmeister. Die Ungarn waren traurig, aber fair genug, den Deutschen zu gratulieren. Stolz war Morlock dabei besonders auf die Umarmung des ungarischen Kapitäns Ferenc Puskas.

Abbildung entnommen aus Setzepfand: 13 - meine Glückszahl
Nach dem gewonnenen WM-Finale wird Max
vom ungarischen Kapitän Ferenc Puskas beglückwünscht
.

Morlock wurde oft gefragt, wieviel Geld er denn für das wichtigste Tor seiner Karriere bekommen habe. Reich wurde er damit jedenfalls nicht, denn die Prämienverhandlungen mit dem DFB fanden kurioserweise erst nach dem unerwarteten Triumph statt. DFB-Vizepräsident Hans Huber schlug im Überschwang des Erfolges vor, jedem Spieler 5000 Mark zu überweisen, doch kein geringerer als Sepp Herberger war dagegen. So gab es schließlich pro Mann 1000 Mark und 200 Mark pro Einsatz. Für Morlock kamen so 2000 Mark zusammen.

Die Vereinszeitung druckte nach dem Endspiel folgenden Artikel eines Augenzeugen über eine Episode am Rande der Siegerehrung ab, den die Schwäbische Zeitung veröffentlicht hatte: “Der Schlusspfiff des Mr. Ling war ertönt, die beiden Mannschaften stellten sich zur Siegerehrung auf. Am linken Flügel der deutschen Elf stand Maxl Morlock, über und über mit Dreck beschmiert. Wie es sich für den Nürnberger Halbrechten gehört, der sich immer bis zum letzten einsetzt. Auf dem schnell errichteten Rednerpodium stand der Ehrenpräsident der FIFA, Jules Rimet, und hielt auf Französisch eine Ansprache. Wen wundert es, dass die deutschen Spieler diesen wohlgesetzten Worten keine allzu große Aufmerksamkeit schenkten? Sie standen überglücklich da und erwiederten die vielen Zurufe und Handküsse aus dem Publikum. Nur Maxl Morlock nicht. Da er am linken Flügel stand, hatte er den FIFA-Ehrenpräsidenten fast genau gegenüber. Und da habe ich den Maxl Morlock beinahe noch mehr bestaunt als während des Spiels. Mit ungeheuer interessierter Miene lauschte er der französischen Rede und wer sein Gesicht beobachtete, konnte meinen, der Maxl habe früher mindestens zehn Semester auf der Sorbonne in Paris studiert, so sachverständig nahm er auf, was der alte Rimet zu sagen hatte. Er hörte auf keine Zwischenrufe, sondern war ganz Ohr. Als dann die Rede vorbei war und die Zuschauer klatschten, da klatschte auch der Maxl als wollte er sagen: ‘Des hat’r gut g’sagt, der Rimet, wirklich gut, des muss ma ihm scho lass’n.’ Und dann merkte er, dass seine Kameraden es an Aufmerksamkeit hatten fehlen lassen. Er stieß also seinen Nebenmann an, was gleichsam eine Aufforderung bedeutete, wenigstens auch zu klatschen. Etwa: ‘Mensch, du, do gilt’s jetzt, des andere kommt später.’ Aber er stieß auf kein großes Verständnis. So ist es halt. In solchen Augenblicken kann man auch mit dem feinsten Französisch neimand imponieren.”

In der Endrunde der Fußballweltmeisterschaft in der Schweiz war Morlock zur rechten Zeit in Höchstform, ja in der Form seines Lebens. In den Qualifikations- und Endrundenspielen war der Halbrechte mit 12 Treffern der erfolgreichste deutsche Stürmer. Sepp Herberger schrieb in seinen Erinnerungen: “Unter der meisterhaften Strategie von Fritz Walter hatten wir im Verein mit Max Morlock und Horst Eckel ein Mittelfeld, das in geradezu traumhafter Übereinstimmung verstand, unser Angriffsspiel anzukurbeln und auch erfolgreich abzuschließen.”

Morlocks Heimreise führte über München, wo die Mannschaft von unübersehbaren Menschen- mengen in Empfang genommen wurde, nach Berlin, wo jeder im überfüllten Olympiastadion von Bundespräsident Heuß den “Silbernen Lorbeer”, die höchste deutsche Sportauszeichnung, erhielt, und endete im Nürnberger Stadion, in dem gerade das Schulsportfest in vollem Gange war. Die 30 000 Buben und Mädchen waren aus dem Häuschen, als Nürnbergs großes Sportidol im offenen Wagen eine Ehrenrunde fuhr und dann den Anstoß zum Endspiel um die Stadtmeisterschaft der Volksschulen machte.

Auf dem Weg ins Stadion fuhr Morlock durch ein jubelndes Spalier unzähliger Menschen. Es schien, als sei halb Nürnberg auf den Beinen. Nach seiner Ehrung im Clubhaus des FCN beendete er seine Dankesworte mit dem Satz: „Ich habe jetzt nur noch einen Wunsch: Ich möchte mit dem Club nochmals eine deutsche Meisterschaft holen!”  Im Rathaus trug er sich ins goldene Buch der Stadt ein. Als er endlich daheim gelandet war, stöhnte er: „Das ist eine böse Geschichte, so allein durch die Gegend geschleppt zu werden!“ So feierlich bewundert zu werden, war für den bescheidenen Sportsmann eine Tortur.

Die Vereinszeitung vergriff sich unbewusst ein bisschen im Ton, als sie schrieb: “Wir freuen uns mit dem DFB über den großen Sieg über einen gewaltigen Gegner, mit Sepp Herberger, den oft geschmähten Selektionär, und am meisten mit unserem Max Morlock, der sein redlich Teil zum Endsieg beitrug.”

Die Clubjugend bedichtete ihr Idol folgendermaßen:

“Wir sin’ nu baff, dös koh ma sag’n,
uns hat’s vur Freud die Red verschlag’n,
vur Freud, dass unser Morlocks Max
bewies’n hout, nu is am Platz
dös stolze Wort, in Zabo drau?,
dou sterb’n die Master niemals aus!
Su dank ma ötzat unser’m Max
und was wir fühl’n, dös sagt der Satz:
‘Die Jugend koh dir zwar nix schenk’n,
sie hout kah Göld, dös lässt sich denk’n,
doch doufür hout’s dich mehr wöi gern
und will auf’s Haar a Max’l wer’n!’”

Nun stürzten sich die internationalen Aufkäufer auf die frischgebackenen Weltmeister, allen voran auf Fritz Walter und Max Morlock. Die Versuchung war groß, denn in Deutschland galt ja immer noch das Vertragsspielerstatut. Profis gab es damals bei uns noch nicht. Morlock wurden Handgelder von 300 000 Mark und Jahresgagen von 36 000 Mark offeriert. Es kostete ihn viele Stunden ernsthafter und sorgenvoller Überlegungen, bis er sich zur Ablehnung entschloss.

Hans Hofmann brachte im Anschluss an die Weltmeisterschaft in der Vereinszeitung folgende Ansicht zu Papier: “Meister werden ist schwer. Meister bleiben ist noch schwerer. Schnell vergeht der Ruhm dieser Welt. Auch im Fußball. Und auch bei einem Fußballweltmeister. Der Geist, mit dem unsere deutsche Mannschaft in der Schweiz kämpfte, der ihr übermenschliche Kräfte verlieh, lässt sich vielleicht kein zweites Mal einimpfen, es sei denn, Sepp Herberger hätte die Macht, mehr als ein Dutzend der besten deutschen Spieler wochen- und monatelang um sich zu versammeln, um sie mit den modernsten Mitteln auf Hochglanz zu polieren. Das wäre so recht nach dem Geschmack einiger Sportzeitungen, alle 14 Tage ein Länderspiel mit Sonderausgaben zuvor und danach! Mit Recht fänden unsere Vereine ein Haar in einer solchen Suppe. Schon aus dem nicht bestreitbaren Grunde, dass die gehäufte Zahl von Länderspielen mit ihren hochgeschraubten Geltungen von dem einzelnen wiederholt erfassten Spieler ein gerüttelt Maß von Nervenkraft verlangt, das selbst ein Mann von der Robustheit eines Max Morlock auf die Dauer nicht zu leisten vermag. Das eine wissen wir mit Sicherheit, dass unser Spieler nach einem Länderspiel in unserer Mannschaft ein anderer ist, als jener, den wir von früher her in gutem Gedächtnis haben. Vielleicht ist es auch so, dass ein Länderspiel bei einem älteren Spieler stärker an den Nervensträngen zerrt als bei einem jungen, noch in der Vollkraft der Jahre stehenden Spieler. Max Morlock wird nun auch älter, und seine Leistungen an Energie, die ihm früher ermöglichten, ein Spiel zu unseren Gunsten herumzureißen, sind spärlicher geworden. Die erfahrenen Sportleute unseres Clubs hegen die gleiche Meinung, sie gehen darin sogar noch weiter, wenn sie dem Glauben huldigen, dass Morlock mit seiner ungebrochenen Schnelligkeit besser den hinteren Reihen seiner Mannschaft jene Sicherheit zu verleihen vermöchte, die nötig ist, um die schweren Spiele in der Oberliga durchzustehen.” Bei aller Wertschätuzung für Hofmanns fußballerischen Sachverstand - hier irrte er doch gewaltig.

Allerdings traf Hofmann mit seiner Darstellung einer Formkrise bei Morlock sehr wohl ins Schwarze. Nach einem Spiel im September 1954 gegen den Karlsruher SC schrieb die Vereinszeitung: “Solange Max Morlock nicht die Folgen der Weltmeisterschaft überwunden hat, wird dem Sturm die Durchschlagskraft fehlen.” Die “Folgen der Weltmeisterschaft” waren allerdings ganz besondere, von denen man noch gar nichts ahnte.

Einige Zeit nach dem WM-Triumph lag der Max nämlich ebenso wie Fritz Walter, Ottmar Walter, Horst Eckel, Hans Schäfer und Helmut Rahn mit Gelbsucht darnieder und konnte in der Saison 1954/55 nur 10 Spiele absolvieren. Es gab manche Verdächtigungen um diese Epidemie. Dopingvorwürfe wurden laut. In Wahrheit sollten erlaubte Traubenzuckerspritzen, die nicht richtig desinfiziert waren, der Grund gewesen sein. Der arzt, der Morlock im Krankenhaus behandelte, sagte kategorisch: „Gesunde Menschen spritzt man nicht!“ Erst am 30. März 1955 konnte Morlock sein nächstes Länderspiel bestreiten.

Die Vereinszeitung meldete Morlocks Erkrankung im November 1954: “Max Morlock ist an Gelbsucht, im besonderen an Hepatitis epidemica, wie sie die Ärzte nennen, erkrankt. Er liegt im Städtischen Krankenhaus und bedarf zur Genesung vor allem seelischer und körperlicher Ruhe. Die Krankheitsdauer bemisst der behandelnde Arzt auf 4 - 6 Wochen, die Zeit der Rekonvaleszenz auf 5 - 6 Monate. Wir haben nunmehr auch die Erklärung gefunden für die Formkrise Morlocks während der vorausgegangenen Wochen. Es ist nun in der deutschen Nationalmannschaft eine ganze Reihe von gleichartigen Krankheitsfällen bekannt geworden, so dass tatsächlich von einer Epidemie innerhalb eines an sich beschränkten Kreises gesprochen werden kann. Die Vermutung, dass ein Spieler den anderen ansteckte oder von einem oder anderen angesteckt worden ist, liegt greifbar nahe. Wie das geschehen konnte, das ist die Kernfrage, an der die Mediziner nicht gerne in der Öffentlichkeit herangehen wollen, obwohl die Umstände geradezu auf eine Klärung dieser Frage hindrängen. Diese Krankheitsfälle werfen einen Schatten auf die WM- und folgenden Ländertreffen, er lastet auf Sepp Herberger und auf dem DFB, aber wir vom Club spüren ihn auch.”

1955 fand eine zweite USA-Reise der Cluberer statt, von der Morlock einen Pokal mit der Aufschrift „Dem wertvollsten Spieler der USA-Reise des 1. FC Nürnberg, Max Morlock, zu seinem 30. Geburtstag gewidmet. DAFB Paul Boumanns.“ Während des Amerikaufenthalts fuhr die Mannschaft eines abends in Privatautos nach Hause. Der Weg führte auch durch den Lincoln-Tunnel, für den jeder Wagen einen Tunnelzoll entrichten muss. Als die Zolleinnahmestelle in Sicht kam, wühlte Morlock plötzlich aufgeregt in den Taschen und zog nach langem Suchen einen Schein heraus, den er als seinen Impfschein erklärte. „Gottseidank!“ sagte er. „Hätt ich ihn nicht dabei, käm ich erbarmungslos in die Quarantäne!“ „Oh mei“, stöhnte da der Waldi Schweinberger, „ich hab meinen Impfschein daheim gelassen. So was Blödes!“ „Mensch“, sagte Morlock, „los versteck dich, eh sie dich schnappen! Wer weiß, wann du sonst wieder raus- kommst?“ Also kroch Schweinberger unter den hinteren Sitz, machte sich klein und wurde mit Decken zugedeckt. Nach rund vier Kilometern holte man ihn wieder heraus. Er schwitzte wie verrückt und war völlig zerknittert. „Was hast denn eigentli ghabt?“ fragte Morlock unschuldig, „Den Impfschein hättst doch garnet braucht!“

Vor Saisonbeginn 1955/56 spielte der Club bei Eintracht Braunschweig. Die Vereinszeitung berichtete Unangenehmes von diesem Spiel: “Nach der Überraschung der Niederlage gab es noch eine zweite. Ein Dieb hatte die Kabine der Gäste heimgesucht und Geld und Geldeswert geklaut. Schieds- und Linienrichter wurden ebenfalls bestohlen. Nur die beiden Internationalen des Clubs, Baumann und Morlock, fanden Gnade bei dem Langfinger.”

Mitte der 50er Jahre war Morlock bereits so populär, dass das staatliche Kommittee für Körperkultur und Sport beim DDR-Ministerrat Überlegungen anstellte, wie man solch namhafte westdeutsche Spieler wie ihn zum „Übertritt“ in die DDR bewegen könne, um den DDR-Sport auf Weltniveau zu hieven. Nun leistete sich der Max auch den Bau eines kleinen Hauses in der Eisvogelstraße in Zabo.

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