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“Es ist eine Ehre für diese Stadt, diesen Verein
und die Bewohner Nürnbergs zu spielen.
Möge all dies immer bewahrt werden
und der großartige FC Nürnberg niemals untergehen.”
(Heiner Stuhlfauth)

Carl Riegel


Abbildung entnommen aus Bausenwein u.a.: Die Legende vom Club

geboren am 6. September 1896; gestorben am 26. November 1970.

Carl Riegel absolvierte ab 1914 370 Spiele für den 1. FCN. 1920, 1921, 1924 und 1925 errang er mit dem Club die deutsche Meisterschaft.

1916 musste er seine Karriere unterbrechen, weil er zum Wehrdienst eingezogen wurde.

Am Ende seiner Karriere wurde ihm von Hans Hofmann in einem Artikel mit dem Titel “Der linke Flügel” gehuldigt: “Der unverwüstliche Heiner Träg verdient zunächst genannt zu werden. Er schlug eine gewaltige Klinge, und ich möchte ihn mit seinem Drum und Dran mit jenem Athos aus Dumas unsterblichem Roman ‘Die drei Musketiere’ vergleichen, womit ohne weiteres Sutor die rolle des eleganten Aramis zukommt, während Riegel den schlauen d’Artagnan darzustellen hätte. Ein Läufer, der mit allen Wassern gewaschen und mit allen Hunden gehetzt schien. Der ließ sich kein X für ein U vormachen, wohl aber ließ er die Gegner in seine Falle marschieren, sie mochten sein, wer sie auch wollten. Und seine Stürmer führte er wie am Schnürchen. Ein Tausendsassa, den keiner einzuwickeln vermochte, der immer nur die anderen einwickelte, der seine Bälle auf dem grünen Rasen gleiten ließ wie ein Billiardspieler seine Kugeln auf dem grünen Tuch. Dem eine Körperbewegung genügte, um einen Gegner kopfscheu zu machen und die Lacher auf seine Seite zu bringen, und der uns so recht zu Herzen gehen ließ, wie der Fußballsport im Grunde genommen ein fröhliches Kampfspiel ist.”

Sein Stammverein war der Lokalrivale FC Pfeil.

Über die Spielweise der großen Mannschaft, der er angehörte, erzählte er: “Was heißt Taktik? Unser Club hatte in seinen größten Tagen nicht einmal einen Trainer. Unsere Stärke lag in der Beständigkeit, in der Trainingsbesessenheit.”

Hans Pelzner stellte 1922 fest, dass “die persönliche Einzeltechnik in Riegel einen Träger fand, der für eine ganze Generation Schule macht.”

Optisch ein Vorläufer Kennemanns - groß und hager, mit dünnen Beinen, die in einer viel zu weiten, fast bis zu den Knien reichenden Hose steckten -, war er, anders als später der Schorsch, nicht für die “Sense”, sondern für Eleganz und technische Kabinettstücke zuständig. Seine Art, den Fußball zu interpretieren, sei, so hieß es immer wieder, eine Augenweide für die Zuschauer. Er behandelte den Ball wie ein rohes Ei und konnte Pässe spielen wie kaum ein anderer. Riegel sorgte für Staunen, wenn er auf kleinstem Raum verwirrende Balljonglagen vorführte, und für Gelächter, wenn er seinen Gegner mit einer einzigen Körperbewegung dumm dastehen ließ. Von dem dürren Mann, der oft so krumm dastand wie ein Fragezeichen, hieß es daher: “Dieses Fragezeichen aber konnte keiner lösen.” Und genau so, wie er die Bälle an sich zog, so zog Riegel, dessen Spitzname “die Spinne” lautete, auch die Fäden des Spiels - mit präzisen, gut getimten Vorlagen fütterte er das Angriffsspiel. Nur eines fürchtete der Mann, der mit seiner Spielintelligenz und seiner Balltechnik so brillieren konnte: dass ihm einmal ein Ball auf den Kopf fallen könnte. Vor dem Kopfballspiel hatte er eine Abscheu wie vor einer schlimmen Krankheit.

Außerhalb des Spielfeldes genoss der großgewachsene, hagere Läufer den Ruf eines hervorragenden Gesellschafters. Hans Hofmann schrieb dazu: “Zweifelsohne verdanken wir dieser verbindenden Eigenschaft zu seiner Zeit einen wohltuenden Einfluss auf die oftmals auseinanderstrebenden Teile des Mannschaftsgefüges.” Riegel sorgte regelmäßig für gute Stimmung, so zum Beispiel vor dem Endspiel 1920 in Frankfurt gegen die SpVgg Fürth. Als sich die Spieler in einer Bretterbude umkleideten, fand Riegel heraus, dass sich in der Mauer unter der Decke ein Ofenloch befand, durch das man die Fürther beobachten konnte, ohne selbst gesehen zu werden. “Die gwinner ned”, rief er triumphierend seinen Kameraden zu, “schautsermol, wäi die zittern!”

1921 fand in Saarbrücken ein Regionalvergleich zwischen den Mannschaften von Süddeutschland und Westdeutschland statt. Als einziger Nürnberger war Riegel dafür aufgeboten. Da er zu dieser Zeit aber bereits an seiner beruflichen Karriere arbeitete, reiste er erst in der Nacht zum Spieltag an. In Würzburg bestieg er den Zug und schärfte dem Schaffner ein, ihn ja in Osterburken zu wecken, wo er den Anschlusszug nach Saarbrücken bekommen musste. Also schlief er selig ein. Der Schaffner aber hatte anderes im Kopf und vergaß ihn zu wecken. Als Riegel wieder wach wurde, fuhr der Zug gerade in Stuttgart ein. Weder war ein passender Zug zu bekommen, noch konnte er ein Auto auftreiben. Also schaute er sich am Nachmittag ein Spiel in Degerloch an. Der Süden gewann übrigens trotzdem 7:0.

Anlässlich der legendären Spanienreise des FCN im Jahre 1922 berichtete die Vereinszeitung über den “langbeinigen Riegel, der immer von den drolligsten Einfällen geplagt war”. Auf dieser Reise begegnete er auch einem Mitreisenden aus Koblenz, der ihn fragte, wer von den 11 Cluberern eigentlich der deutsche Meister sei. Riegel antwortete, dass jeder in der Mannschaft ein deutscher Meister wäre. Er zum Beispiel sei “deutscher Meister im Weitstoß mit 332 Meter”.

Vor diesem Spiel erwies sich Riegel als wahrer Prophet. Hans Hofmann berichtete darüber: “Bei einem Bummel durch Frankfurt begegneten uns die Fürther. Sie fragten den Carl, ob er denn an einen Sieg glaube. Da öffnete der seinen Gehrock und deutete wortlos auf einen über das Futter eingenähten Flicken mit der Aufschrift 2:0.” Mit diesem Tip landete Riegel einen Volltreffer, denn tatsächlich holte sich der Club mit einem 2:0 seinen ersten Meistertitel.

Im Juni 1924 schrieb Hans Hofmann in der Vereinszeitung anlässlich eines Zwischenrundenspiels um die deutsche Meisterschaft gegen den Duisburger SV in Fürth: “Vor Beginn überreichte unser Vorstand dem Jubilar Karl Riegel einen Blumenstrauß. Seit 1914 spielt der ‘Karla’ fast ununterbrochen als linker Läufer, wie wir alle wissen oft mit großem Erfolg, meistens aber zum Entzücken der Zuschauer. Auch wir können nicht ohne Würdigung der Tatsache fortfahren, dass sich in Riegels Spiel der ‘gentleman-typ’ verkörpert, der recht selten geworden ist. Dem rauhbeinigen Spiel geht er aus dem Wege und obwohl er ein ausgezeichneter Kopfballspieler ist, meidet er selbst dieses aus der leidigen Erfahrung heraus, dass unsere Schiedsrichter den ‘Buckerln’, wie der Wiener sagt, nicht die nötige Aufmerksamkeit schenken. Sein erfolgreiches Spiel hat lediglich die Grundlage in der fabelhaften Balltechnik, die er sich im Lauf der Jahre erworben hat. Im Zenith seines Könnens will er nun dem Fußballsport Valet sagen. Wir hoffen aber, dass ihm das Gelöbnis schwer, ja unerträglich wird, er müsste anders nicht so sehr mit der Mannschaft und ihrem Blühen verankert sein, wie wir es auch einmal waren und wie wir es noch sind.”

Doch von nun an wurde Riegel immer mehr der Kritik unterzogen. Die Vereinszeitung schrieb in ihrer Oktoberausgabe von 1924: “Die Zeiten scheinen vorbei zu sein, wo Riegels graue Hose, natürlich mit den dazugehörigen Beinen, einen ganzen Flügel lahmlegte.” Im Dezember 1924 prophezeite ihm Hans Hofmann: “Er kommt ins gefährliche Alter. Wenn er nicht trainiert wie ein Besessener, so sagen wir ihm binnen Jahresfrist einen Spitzbauch, ein Ringkämpfergenick und ein Doppelkinn voraus, und dann ade, du schönes Läuferspiel!”

Passend dazu dichtete Hofmann:

O Riegels Karl sei auf der Hut
und meide die Befeuchtung.
Die inn’re tut dem Sport nicht gut,
sie dient nur zur Erleuchtung.

1925 reichten Riegels Schnelligkeit und Kondition noch aus, doch dann war für ihn Schluss.

Abbildung entnommen aus Wich/Kelber: Der Meisterclub
Seitenwahl vor dem Endspiel 1925 gegen den FSV Frankfurt
V.l.n.r.: Reitz, Schiedsrichter Guyenz, Carl Riegel

Natürlich erhielt Riegel, wie auch seine Kollegen aus den Meistermannschaften, lukrative Angebote von anderen Vereinen, die er jedoch immer ablehnte, “weil unser Herz am Club hing und weil wir ohne unsern Club nicht leben konnten”.

Abbildung entnommen aus 75 Jahre 1. FC Nürnberg
Carl Riegel und Hans Kalb als Mitglieder der FCN-Tennismannschaft

Schon mit 29 Jahren gab er den Fußball auf, denn der Beruf ging ihm vor. Stattdessen trat er der Tennisabteilung des 1. FCN bei, mit deren erster Mannschaft er viele große Siege errang.

In den 30er Jahren gehörte er dem Ältestenrat, Anfang der 50er Jahre dem Verwaltungsrat des Vereins an.

Schon wenige Jahre nach Beendigung seiner aktiven Karriere bekam er die Generalvertretung einer großen deutschen Edelstahlfirma in München. Der Job war so einträglich, dass er sich sogar einen Landsitz in Walchstadt am Wörthsee leisten konnte. Mit den großen Stahlmagnaten im Ruhrgebiet verband ihn zeitlebens eine enge Freundschaft.