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Willy Böß Abbildung entnommen aus 75 Jahre 1. FC Nürnberg geboren am 19. März 1896; Böß absolvierte ab 1913 185 Spiele für den 1. FCN, mit dem er 1920 und 1921 die
deutsche Meisterschaft errang. Der fast schon winzige Stürmer war nicht gerade das, was man sich unter einem Brecher in der Sturmmitte vorstellt. Gutwillige Kommentatoren, die sehen mussten, dass Böß kein
Sturmführer war, haben das Wort vom Verbindungsstürmer geprägt. Er war, technisch durchaus begabt, ein Bindeglied zwischen den Halbstürmern und hat so manches Tor
seiner Nebenleute vorbereitet. Aber wenn er selbst Tore schießen sollte, dann hieß es beispielsweise in einem Spielbericht aus dem Jahr 1922, dass “das entschlossene
Selbsthandeln vor dem Tore, wie so oft schon früher, nicht der Gipfelpunkt seiner Leistungen” gewesen sei. Im März desselben Jahres schrieb die Vereinszeitung: “Das ist
der leidige, oft erkannte Mangel unserer Angriffsreihe, dass ihr gegenüber einer starken Verteidigung der Keil und die Wucht in der Mitte vollständig fehlt. So taktisch
vollkommen unser Mittelstürmer auch immer das Feld beherrscht, vor dem Tore fällt er aus, die wesentliche Arbeit bleibt den beiden Innenstürmern, die unsere eigentliche, aber
auch einzige Angriffswaffe sind, überlassen. Unser Mittelstürmer ist ein treffliches Glied in der Kette unserer Angriffsreihe, aber ein Glied, das sich niemals loslöst oder aber, wenn
es durch den Zufall losgelöst ist, sich fast nie zum selbständigen Handeln aufschwingt. Ist unsere Angriffsreihe durch irgendeinen Umstand zerrissen, so muss an Stelle der
vermittelnden Tätigkeit des Mittelstürmers die selbständige treten, diese aber ist unserm Mittelstürmer leider nicht gegeben. Wir sind an dem Punkt angelangt, unseren Angriff
wieder verstärken zu müssen, diese einzige Schwäche des Sturmes muss behoben werden, und sie muss bis zum Herbst behoben sein.” Als Stimmungskanone war Böß allerdings unschlagbar. Die Vereinszeitung schrieb
anlässlich der aufsehenerregenden Spanienreise des Jahres 1922 über ihn, dass sein “unermüdliches Mundwerk mit dem plätschernden Regen gleichen Schritt hielt”.
Club-Urgestein “Papa” Hofmann berichtete vom ersten Tag dieser Reise: “Böß, dem die 2. Klasse nicht genügend erschien, hatte sich in der 1. Klasse eingenistet, aber bald
wurde er von dem französischen Schaffner, der kein Deutsch und auch keinen Spaß verstand, wieder herausgeworfen. Allmählich machte sich der Schlaf bei uns geltend und
bald herrschte wohltuende Ruhe in einem der Abteile. In dem anderen, leider in dem meinigen, beherrschte die Stimme Böß’ mit unerbittlicher Ausdauer Raum und Zeit. Es
war zum Davonlaufen und ich tat es auch. So schlief ich endlich ein und erwachte erst, als wir in die Nähe von Paris kamen. Der Tag hatte längst gegraut und bald war alles munter. Böß aber war noch munter.”
Auf dieser Reise machte der Club auch Station in Santander. Darüber schrieb Hofmann: “Im Rate der Jüngsten wurde hier beschlossen, unsern Böß für seine Untaten den
zahlreich im Golfe sich tummelnden Haifischen als Fraß vorzuwerfen, damit endlich die in Nürnberger Kritikerkreisen immer noch spukende Mittelstürmerfrage gelöst würde.
Gedacht, getan! In weitem Bogen flog Böß hinaus ins Meer, aber die Flut spie ihn als ungenießbar wieder zurück ans Land.” Eine besondere Rolle spielte Böß im Wiederholungs-Endspiel um die deutsche
Meisterschaft 1922 gegen den HSV. Das Spiel wurde, wie schon das erste Endspiel in Berlin wenige Wochen zuvor, sehr hart geführt. Es hagelte Fouls und Freistöße. Als
erster verlor der leicht reizbare Club-Mittelstürmer die Beherrschung. Mit einem Foul provozierte er geradezu einen Platzverweis. Schiedsrichter Peco Bauwens schrieb in
seinen Spielbericht: “Nachdem sich in der ersten Viertelstunde eine scharfe Note im Spiel beider Mannschaften zeigte, ermahnte ich die Mannschaftsführer und wies darauf hin,
dass ich nun zu dem schärferen Mittel des Herausstellens greifen würde, da meine dauernden Ermahnungen und die Verhängung von Strafstößen doch nichts nützen
würden. Ein Vorstoß vom Nürnberger Innensturm kam im Strafraum zum Stillstand. Der Ball wurde von einem Hamburger Spieler im weiten Schlag zum linken Flügel gegeben,
und zwar ging der Ball bis auf die Mittellinie. Als der hohe Stoß erfolgt war, sah ich noch, wie Böß, obgleich der Ball weg war, sein Bein gegen einen am Boden liegenden
Hamburger erhob. Daraufhin verwies ich Böß des Spielfeldes.” Club-Urgestein Hans Hofmann nannte Böß’ Verhalten in der Vereinszeitschrift “ein Vorkommnis, das geeignet
war, nicht nur unsere Hoffnungen, sondern auch unsern sportlichen Kredit ins Wanken zu bringen” und fuhr fort: “Unser Mittelstürmer ließ sich zu einer Handlung hinreißen, die ihm
nicht verziehen werden kann. Angesichts von 60 000 Zuschauern und mit Rücksicht auf seine anderen Kameraden hätte sich Böß beherrschen müssen. Zu deuteln gibt es an der
Sache nichts, sie ist festgestellt von einwandfreien Zeugen; dass der angegriffene Beier nach Verlauf von 5 Minuten wieder kreuzfidel weiter spielte, ändert wenig, der
unerlaubte Angriff ist ja mehr als tätliche Beleidigung aufzufassen. Der Platzverweis war die logische Folge.” Im Anschluss daran wurde Böß für mehrere Monate gesperrt, was
sich später noch verhängnisvoll für den FCN auswirken sollte. Das Spiel ging letztlich, wie schon das erste Aufeinandertreffen, unentschieden aus,
obwohl in der Verlängerung Kugler verletzungsbedingt ausscheiden musste und auch Heiner Träg noch vom Platz gestellt wurde. Hamburg wurde vom DFB zum Meister erklärt, nahm den Titel aber nicht an.
Erneuten Wirbel um den - immer noch gesperrten - Böß gab es anlässlich der zweiten Spanienreise des FCN im Januar 1923. Die Vereinszeitung berichtete darüber
folgendermaßen: “Die dem Club diktierte Strafe betrifft das unerlaubte Spielen unseres disqualifizierten Spielers Böß in Spanien. Vor der Weiterreise nach Spanien musste
bekanntlich ein Teil unserer Mannschaft in Mailand ein Länderspiel Italien-Deutschland spielen, und es war im Bereiche der Möglichkeit, dass hierbei der eine oder andere
unserer Spieler verletzt würde und dessen Spielunfähigkeit zur Folge haben könnte. Auf alle Fälle mussten wir unsere besten Leute zur Verfügung haben, um unsere Sache in
Spanien mit bestmöglichem Erfolg vertreten zu können. Und da musste der Club sich der Hoffnung hingeben, dass der D.F.B. eintretenden Falles die Sachlage mit Milde
beurteilen würde, wie er dies wiederholt schon in anderen Fällen und für andere Vereine getan hat, und er die Spielerlaubnis für Böß während dieser Reise geben würde. Eine
feste Absicht, Böß spielen zu lassen, bestand aber trotzdem von vornherein nicht. Im ersten Spiel in Barcelona gegen den bedeutendsten Gegner musste leider schon kurz
nach Anfang unser Spieler Strobel infolge Verletzung ausscheiden, so dass die Leitung gezwungen war, Ersatz einzustellen. Diesem Spiele wohnte auch der bestens bekannte
Schiedsrichter des D.F.B., Dr. Bauwens aus Köln, an, und dieser war es in erster Linie, der die Leitung veranlasste, für den verletzten Strobel als Ersatzmann Böß einzustellen.
Dr. Bauwens, der bei uns immerhin eine sportliche Autorität ist, der zu den führenden und bewährtesten Persönlichkeiten des deutschen Fußballsportes zählt und der seinerzeit die
Disqualifikation Böß’ veranlasst hatte, erklärte sofort bestimmt und fest, dass unbedingt Böß spielen müsse, und dass er sich beim D.F.B. für die nachträglich Spielerlaubnis Böß’
einsetzen werde. Nur dieser dringlichen und bestimmten Erklärung Dr. Bauwens’ folgend, wurde Böß’ in die Mannschaft eingestellt. Aber der D.F.B. blieb auf seinem
harten Standpunkt stehen, würdigte die Verhältnisse nicht ganz und fällte den Urteilsspruch, der dem 1. F.C. für ein halbes Jahr die Erlaubnis versagt, im Ausland
Spiele auszutragen und für ein weiteres halbes Jahr deren Zahl nur auf 5 beschränkt.” Im März 1924 urteilte Hans Hofmann über Böß: “Unser Böß war in seiner Glanzzeit ein
ebenso guter Dirigent wie Schaffer, es fehlte ihm nur das Gewicht der Persönlichkeit.” In den 30er Jahren gehörte Böß dem Ältestenrat des 1. FCN an.
Im August 1939 wurde der Oberleutnant zum Kriegsdienst eingezogen. 1940 beförderte man ihn zum Hauptmann. |
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